Petersberger Gespräche 2009

What's next?

Stephan Huthmacher

Begreift man die gegenwärtige Krise als eine vorübergehende Störung des Weltwirtschaftssystems, dann ist es durchaus logisch, sinnvoll und hinreichend, die eigene Position über Kostenabbau und Effizienzsteigerung zu stärken. Wer frühzeitig genug reagiert, kann warten, bis die Schlechtwetterfront vorbeigezogen ist, und darüber hinaus möglichst viele der sich in der Ausnahmesituation bietenden Chancen ergreifen, um die eigene Wettbewerbsposition zu verbessern.

Aber die Stimmen werden lauter, dass die aktuelle Krise mehr ist als eine vorübergehende Störung. Es spricht einiges dafür, dass es sich um ein Symptom für grundlegende Veränderungen handelt, die bereits seit langem stattfinden und immer spürbarer werden. Jon Danielsson, Experte für Risikomanagement an der „London School of Economics“, formulierte im September 2008: “It used to be that banks became insolvent because their loans went sour. Now it is the complexity of assets that lets them down… Banks simply became too sophisticated for their own good.” Die Komplexität und mögliche Überforderung in Entscheidungssituationen lässt sich nicht auf die Finanzbranche beschränken, und eine Erklärung von Fehlentwicklungen über individuelle Maßlosigkeit ist psychologisch zwar verständlich, aber wenig überzeugend.

Welche Rahmenbedingungen treiben den Wandel, welche neuen Spielregeln entwickeln sich und welche Konsequenzen für unternehmerisches und politisches Handeln zeichnen sich ab? Fragen, über die es sich lohnt, mit kompetenten Experten aus Theorie und Praxis zu reflektieren - ohne Zeitdruck - ohne Scheuklappen - ohne festgefahrene Standpunkte. Die geänderten Anforderungen an Unternehmenskommunikation im digitalen Zeitalter wurden bereits auf dem Höhepunkt der Internet-Euphorie 1999 von vier amerikanischen Autoren dokumentiert. Das „Cluetrain Manifest“ konkretisiert dies in 95 Thesen. Das zentrale Credo lautete damals: „Märkte sind Gespräche“. Die im Manifest anklingende Prognose einer zunehmenden Machtverschiebung vom Anbieter auf den Nachfrager ist längst Wirklichkeit geworden. Nun, zehn Jahre danach, wird die Entwicklung von einer Generation beschleunigt und ausgeweitet, für die die neuen Medien von Anfang an selbstverständlicher Lebens- und Lernraum gewesen sind.

Mit den „Digital Natives“ durchdringt die Revolution des „Social Web“ unaufhaltsam auch die Unternehmenskulturen und die Machtstrukturen der Gesellschaft. Der Übergang zum „Enterprise 2.0“ stellt gewohnte Erfolgsprinzipien im Management auf den Prüfstand. YouTube, Twitter und Co. werden zur Herausforderung für die etablierte Politik. Die junge Netzgemeinschaft formuliert ihren Willen zur aktiven Beteiligung unmissverständlich und provokativ: „Sie werden sich wünschen, wir wären politikverdrossen“ (Spiegel online 25.6.2009). Für die sich abzeichnenden Veränderungen existieren keine Patentrezepte.